In den Farben des Dunkels by Whitaker Chris

Autor:Whitaker, Chris [Whitaker, Chris]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2024-06-27T00:00:00+00:00

Die Jagd

1983

117

Sie atmete die Stadt tief ein, sah sich eine grottenschlechte Aufführung von Hamlet an und aß anschließend allein in einem Imbiss gegrilltes Huhn. An den Wochenenden flog sie nach Hause zu Jimmy, der kaum noch mit ihr redete, seitdem er durch die Prüfung gefallen war.

Als sie ihm gesagt hatte, sie werde unter der Woche und manchmal auch an den Wochenenden in Kansas arbeiten, hatte er Widerspruch eingelegt. Und als sie ihm den Grund erklärt hatte, hatte er mit der Faust gegen den Kühlschrank geschlagen und sich dabei die Hand verletzt. Saint hatte sie ihm verbunden.

»Er rastet aus«, sagte Saint.

»Wut ist eine Form von Angst«, entgegnete Norma.

»Dann hat er Angst vor dem Kühlschrank? Das würdest du nicht glauben, wenn du ihn mit freiem Oberkörper sehen könntest. Inzwischen sind seine Titten größer als meine.«

Norma biss sich auf die Lippe und wandte sich ab.

Saint machte Sport, ging im Morgengrauen laufen, rannte durch die frühmorgendlichen Straßen, bis sie immer schneller wurde und immer länger durchhielt. Sie fand einen Friseur im Osten der Stadt und ließ sich die braunen Haare ein bisschen blonder färben. Sie verfolgte die wechselnden Moden, Föhnfrisuren, Schulterpolster und Fallschirmhosen, Neonfarben und Sportklamotten, wobei ihr jeder Trend eigentlich nur deutlicher vor Augen führte, dass sie bereits vor zehn Jahren ausgestiegen war.

Sonntags fand im Bleaker Park ein Bauernmarkt statt. Saint prüfte die Salatköpfe und schüttelte den Kopf über deren Färbung, was ihrer Großmutter sicher gefallen hätte. Sie wog Okra in den Händen und drückte Wassermelonen, um deren Reifegrad einzuschätzen. Schon bald erfüllten köstliche Gerüche ihr steriles Apartment. Sie kochte für einen ganzen Monat, aß dann allein an einem runden Tisch, und wenn sie fertig war, fing sie mit dem Aufräumen an. Sie empfand es als tröstlich, eine eigene Wohnung zu haben. Vor allem deshalb, weil Jimmy nicht dort war. Manchmal rief sie ihn an und erreichte nur den Anrufbeantworter. Wenn er dranging und sie ihn nach seinem Tag fragte, antwortete er einsilbig und erkundigte sich nie nach ihrem.

Abends machte sie es sich auf ihrem neuen Sofa bequem, zog die Jalousien herunter, löschte das Licht und schaltete die Stereoanlage ein.

Dann lauschte sie Patchs junger Stimme auf den Vernehmungsbändern.

Ich vermisse sie. Seine Stimme hallte durch ihr Apartment.

Der von Himes angebotene Deal war einfach. Saint sollte nach Patch fahnden, weil sie ihn schon einmal gefunden hatte, als dies niemandem sonst gelungen war. Im Gegenzug durfte sie die riesigen Ressourcen des FBI nutzen, um Grace zu suchen.

Ihre Ausbildung erhielt sie als Mitarbeiterin in Himes’ Team.

»Bankraub ist ein schweres Vergehen«, sagte Himes, ohne zu lächeln, wenn er wie jeden Morgen einen Muffin vertilgte.

Beim Mittagessen hatte Saint ihn endlich gefragt, warum es ihm so wichtig war, Patch zu fassen, obwohl er gar keine großen Summen erbeutete.

»Manche Fälle gehen einem eben nahe. Ich habe eine Tochter. Und sollte sie jemals in Schwierigkeiten geraten, dann hoffe ich, dass ein Junge wie Joseph Macauley zur Stelle ist, der ihr hilft.«

Saint blickte von ihrem Sandwich auf. »Und?«

Himes stippte eine Pommes in Barbecuesoße. »Wenn wir ihn jetzt fassen, hat er eine Chance. Er hat sein Glück bereits sehr strapaziert.

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